“Leseprobe aus dem Roman "Zweite
Haltestelle" Originaltitel: "Ikinci Durak" Übersetzung: Christopher Kubaseck
ArbeitsantrittAn diesem Morgen wachte er früh auf. Es war gerade erst sieben Uhr. In der letzten Zeit wachte er oft so unvermittelt auf. Er fühlte eine merkwürdige Spannung in sich. Als ob er ständig irgend jemandem etwas erzählen wolle. Jeder sollte über seinen Erfolg informiert sein. Im Leben war nichts zufällig. Er hatte sich bemüht und abgerackert, und dann Erfolg gehabt. Nun kam es darauf an, was die Bürger von seiner Tätigkeit als Bürgermeister halten würden. Friseure, Lebensmittelhändler, der Konditor unten im Parterre, der Hausmeister... Mit allen musste er sprechen. Natürlich würde man seine Bemühungen, sich mit der Basis zu befassen, nicht übersehen. Das konnte sein Ansehen nur fördern. Er schaute noch einmal auf seine Uhr, es war noch nicht einmal halb Acht. Er wurde ungeduldig. Wenn doch die Strasse ein wenig früher belebt zu werden begänne, so dass er sich anziehen und in die Menge stürzen konnte. Die Aufmerksamkeit, die er in der letzten Zeit in seiner Umgebung auf sich zog, hatte fast so etwas wie eine Abhängigkeit in ihm geschaffen. Nun lag ihm alles daran, sich jederzeit mit Menschen zu treffen, um ihnen seine Gedanken über die Probleme des Landes und der Stadt mitzuteilen. Sie hatten einfach ein Recht darauf, zu wissen, was er über diese Themen dachte. Ausserdem hatte er für manche dieser Probleme Lösungsvorschläge, die bisher keiner Menschenseele eingefallen waren. Die musste er ihnen doch mitteilen! Unter dem Vorwand, sich rasieren zu lassen, konnte er erst einmal zum Friseur gehen. Das wäre schon einmal ein Anfang. Er hatte keine Zeit zu verlieren. Er erhob sich, um sich anzuziehen. Doch kaum hatte er den Korridor erreicht, da klingelte es an der Türe. So konnte er niemanden empfangen, im verknitterten, gestreiften Schlafanzug, noch unfrisiert. Nicht einmal Strümpfe hatte er an. Wer es auch immer sein mochte, so konnte man in seiner Position ganz einfach nicht die Türe öffnen. ,,Liebling, es klingelt!",,Ach, mach doch einfach schnell auf, das wird der Hausmeister sein." ,,Was will denn der so in aller Herrgottsfrühe?" ,,Der kommt jeden Morgen. Warum bist Du überhaupt schon so früh auf?" ,,Bin halt früh aufgewacht..." Als es noch einmal läutete, wurde Memed richtig nervös. ,,Was soll ich dem denn nun sagen?" ,,Zwei Brote und eine Flasche Wasser sollst Du bei ihm bestellen." ,,Na gut." Ihm blieb nichts anderes übrig, als die Tür zu öffnen. Als ihn der Hausmeister vor sich sah, staunte er nicht schlecht, fasste sich aber schnell wieder. ,,Braucht der Herr heute Morgan etwas?" ,,Ich weiss nicht recht, ach, ein Brot und Wasser sollen Sie uns bringen." ,,Ist die Gattin nicht zuhause?" ,,Was willst Du von ihr?" ,,Nichts... Hab nur so gefragt. Sie gibt mir morgens doch immer die Besorgungen auf..." |